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17.11.2020

«In zehn Jahren wird man uns viel besser kennen als heute»

[Interview von September 2018]

Go West, go East: Mit der Eröffnung des Experience Center in Singapur ist für Heinz Haab, kaufmännischer Direktor der Hawa Sliding Solutions, ein Traum in Erfüllung gegangen. Er erklärt, worin die Herausforderungen der Internationalisierung liegen – und warum das Unternehmen einen Expansionskurs fährt.

Herr Haab, was lässt sich in Ihrem Zuhause verschieben?
Heinz Haab: Für mich ist Schieben nie ein Selbstzweck. Jede Schiebelösung muss die Wohnsituation verbessern. Ich wohne in einer zweistöckigen Wohnung. Darin habe ich unter anderem vier Glasschiebetüren, eine Holzschiebetür und ein Schrankmöbel mit Schiebelösung. All das hilft, die Platzverhältnisse besser zu nutzen – und verleiht Bewegungsfreiheit.

2005 eröffneten Sie die erste Niederlassung im Ausland: in Dubai. Warum?
Als mein Cousin Gregor und ich die Firmenleitung übernahmen, wollten wir das Geschäftsmodell unserer Väter ergänzen. Bis dahin waren wir eine Industriefirma, die Produkte für den Fachhandel herstellte. Der intensive Draht zu den Fachpartnern in den Märkten fehlte uns, obwohl wir ins Ausland reisten. Doch die Anschläge aufs WTC vom 11. September 2001 erschütterten auch unsere Firma. Darum sammelten wir unsere Kräfte, bevor wir unseren Businessplan aufstellten und ihn 2005 umsetzten. Wir wollten näher an die Märkte und die Kundenbedürfnisse.

Warum fiel die Wahl auf Dubai?
Schon damals stellten wir unsere Produkte an der Big 5 Show aus, die jährlich in Dubai stattfindet. Wir arbeiteten erfolgreich mit regionalen Partnern. Dubai ist die grösste Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Sie liegt nicht nur geografisch relativ nahe, sondern auch von der Sprache und vom Know­how her. Das Emirat Dubai ist modern und weltoffen.

Aber die Menschen ticken dort anders als in der Schweiz.
Klar, es brauchte auch Kulturworkshops, um die arabische Welt besser zu verstehen. Aber wir Europäer müssen unsere vereinfachten Vorstellungen dieser Region aufgeben – und stattdessen den Menschen und Gegebenheiten vor Ort mit offenen Augen und offenen Ohren begegnen.

Fünf Jahre später nahmen Sie eine Niederlassung in Dallas in Betrieb. Welchen Stellenwert hat der dortige Markt?
Es handelt sich um einen Zukunftsmarkt, der unsere Vorstellungen übertrifft: In Nordamerika gibt es zwei Volkswirtschaften mit insgesamt rund 360 Millionen Menschen. Viele davon sind kaufkräftig und legen Wert auf Qualität. Dagegen zählt man etwa in Indien über eine Milliarde Menschen, doch deren Kaufkraft ist geringer. Für uns stellte Nordamerika aber kein Neuland dar. Wir fassten dort in den Achtzigerjahren über einen Handelspartner Fuss. Seit 2010 sind wir einfach auch direkt vor Ort. Aber wir nehmen unseren Partnern nichts weg. Im Gegenteil: Wir unterstützen sie, ihren Umsatz mit unseren Produkten zu steigern.

Im Herbst 2017 erfolgte ein wichtiger Schritt: Sie eröffneten das Experience Center in Singapur.
Wir träumten davon, uns nach Osten und Westen hin auszudehnen. Heute haben wir das erreicht – ein schönes Gefühl! Unsere Crew in Singapur ist ambitioniert. Die Budgetziele haben wir letztes Jahr erreicht und dieses Jahr sind wir gut unterwegs.

Warum der Begriff «Experience Center»?
Es handelt sich um mehr als einen Showroom. In unserem Center in Singapur kann man Lösungen nicht nur anschauen, sondern sie erfahren – egal, ob man sich für Privatwohnungen, Geschäftsbauten oder Hotels interessiert. Jeder kann erleben, was mit Schieben möglich ist.

Sie produzieren in der Schweiz, in Mettmenstetten und Sirnach. Ist das ein Verkaufsargument?
Ja. Schweizer Werte wie Zuverlässigkeit und Qualität sind gefragt. Überhaupt hat Europa ein gutes Image. Was uns auszeichnet, ist die Organisation unserer Werke. Besuchen uns Gäste aus dem Ausland, staunen sie oft: «Bei euch ist es so sauber, dass man auf dem Fabrikboden essen könnte!» Für Qualität braucht es ein sauberes Umfeld, modernste Automationen und qualifiziertes Personal. Das Schweizer Berufsausbildungssystem ist da ein Trumpf. Doch es gibt noch eine Tugend, die geschätzt wird: unser «Understatement». Wir sind seriöse Schaffer, die sich ein hohes Mass an Pflichterfüllung auferlegen – schon seit über einem halben Jahrhundert.

Inwiefern sind Kunden bereit, für Qualität zu bezahlen?
Entscheidend ist das Verhältnis von Preis und Leistung. Für Leute, die nur auf den Preis schielen, sind wir nicht die richtigen Partner. Es gibt aber zahlreiche Marktsegmente, in denen Qualität etwas kosten darf. Denn niemand will sich wegen einer defekten Schiebetür ärgern oder für Baumängel aufkommen. Vielmehr wünscht man sich eine Schiebelösung, die langfristig problemlos funktioniert. Bei einer Vollkostenrechnung schneiden unsere Lösungen gut ab. Stammkunden sagen mir jeweils: «Billige Lösungen kommen mir teuer zu stehen!»

Ein gutes Produkt reicht nicht – man muss auch wissen, wie man es gut nutzen kann.
Genau. Der beste Beschlag nützt wenig, wenn er falsch montiert ist. Rüsten wir etwa ein Hotel aus, schulen wir die Vorarbeiter und begleiten die Montage. Es schmerzt uns, wenn unsere Qualitätsprodukte nicht optimal eingesetzt werden.

Wodurch zeichnet sich der alte Kontinent aus?
Europa ist unser Heimmarkt. Hier finden wir exzellente Fachleute punkto Architektur, Handwerk, Technik – besonders auch in der Schweiz. Zugleich ist der Wettbewerb in Europa intensiv.

Der europäische Markt scheint zu stagnieren …
Wir wollen auch hier wachsen. Aber wir dürfen uns nicht auf Europa beschränken. Mittlerweile sind wir international gut aufgestellt. Bricht ein Markt oder der Eurokurs ein, können wir das teilweise über andere Märkte kompensieren.

"Wir träumten immer davon, uns nach Osten und Westen hin auszudehnen. Heute haben wir das erreicht."

Seit letztem Jahr treten die Hawa und EKU als Hawa Sliding Solutions auf. Wie ist die Fusion verlaufen?
Wir sprechen lieber von einer Integration. Denn Hawa und EKU waren profitable Firmen mit einer starken Kultur. Der Zusammenschluss stellte keine Kostensparübung dar. Wenn wir Synergien erzielen, finanzieren wir damit unsere Wachstumsinitiativen. So haben wir etwa unsere Präsenz im asiatischpazifischen Raum ausgebaut. Darüber hinaus möchten wir in allen Bereichen qualitativ zulegen. Ich bin sehr stolz auf unsere Belegschaft: Der grösste Teil hat die Veränderungen mitgetragen. Es brauchte einen Mentalitätswandel von jedem einzelnen, um eine neue, marktorientierte Firmenkultur zu schaffen.

Ein ehrgeiziges Ziel …
Wir haben uns als Führungsgremium mit sieben Geschäftsleitungsmitgliedern über vierzehn Monate in Workshops mit einer Fachperson getroffen, um die künftige Kultur der Hawa Sliding Solutions zu formen. Eine Kultur kann man einfach entstehen lassen oder bewusst prägen – wir haben uns für Letzteres entschieden. Dabei produzieren wir weiterhin an unseren zwei Standorten. Die Führung ist gefordert, die neue Kultur standortübergreifend einheitlich umzusetzen und alte Verhaltensmuster nicht mehr zuzulassen. Der Weg, den wir kulturell schon zurückgelegt haben, ist substanziell und stimmt mich zuversichtlich.

Wie haben die Marktpartner auf die Integration reagiert?
Viele Kunden meinten: «Das hättet Ihr schon lange machen können!» Andere ermutigten uns: «Ihr seid zwei so starke Firmen – die Fusion muss gut kommen.»

EKU gehörte schon Hawa.
Das wussten viele noch nicht, obwohl wir daraus nie ein Geheimnis gemacht haben. Die Hawa AG übernahm die Firma 1992 . Der damals eingesetzte Geschäftsführer hat EKU mit innovativen Lösungen sehr gut entwickelt und den Umsatz vervielfacht. Im Möbelbereich ist EKU sehr stark.

Nennen Sie uns ein Beispiel für eine Herausforderung.
Das Falcon Stadium in Atlanta ist mit Glasboxen ausgestattet. Füllen 80000 Leute das Stadium, schrumpft jedes Stockwerk um ein paar Millimeter. Dabei darf eine Glaswand nicht unter Druck geraten, sonst verklemmt es sie. Wir entwickelten darum ein Zusatzteil, um die technische Herausforderung zu meistern. Wir müssen den Kunden gut zuhören – und passende Lösungen entwickeln. Unsere Stärke liegt in der Flexibilität und der Innovationskraft.

"Für Qualität braucht es ein sauberes Umfeld, modernste Automationen und qualifiziertes Personal."

Wie gehen Sie mit unterschiedlichen Kulturen um?
Es reicht nicht, wenn die Chefs ein Land verstehen. Wichtig ist, dass möglichst viele Mitarbeitende andere Kulturen verstehen. Dazu braucht es persönliche Begegnungen. Wir nehmen Mitarbeitende auf Reisen mit und senden sie in andere Länder. Nur so kann ein Wirgefühl entstehen. Ausserdem treffen sich alle weltweit tätigen Verkaufsleute dreimal im Jahr in der Schweiz.

Wie wirkt sich das auf die Standorte in der Schweiz aus?
Wir sprechen im Alltag öfter englisch, gewinnen Verständnis für andere Regionen und werden marktorientierter. Das tut uns gut!

Die Design-Vorstellungen sorgen nicht für Diskussionen?
Unsere Schiebebeschläge bleiben meist unsichtbar. Unerlässlich ist aber, dass sie technisch überzeugen und Lösungen ermöglichen. Zudem ist es schön, wenn sie Handwerkern wie Architekten schon beim Anfassen ein gutes Gefühl verleihen.

Was tun Sie, um Architekten und Handwerkern die Arbeit zu erleichtern?
Wir stellen digitale Tools, Videoclips und Anleitungen zur Verfügung, die unsere Lösungen erklären. Vor allem aber sind wir bereit, auch persönlich vor Ort zu unterstützen. Das ist für viele Kunden sehr wichtig – trotz der Digitalisierung.

Gilt das in Miami wie in Mettmenstetten und Sirnach?
Handwerker und Architekten aus Mettmenstetten und Sirnach können schnell zu uns in die Fabrik kommen. Doch auch Fachpartner aus Miami dürfen nebst der Online­ Unterstützung auf kompetente Leute zählen, die sie gerne beraten.

Unterstützt die Digitalisierung die Internationalisierung?
Sie betrifft alle unsere Unternehmensbereiche und hilft zeitnah, Innovationen in den Märkten umzusetzen. Es ist sehr wichtig, unsere digitale Kompetenz für alle Anspruchsgruppen zu stärken.

Wo sehen Sie die Hawa Sliding Solutions in zehn Jahren?
Wir haben aus zwei Booten ein tolles Schiff gemacht. Jetzt können wir an Tempo zulegen. Wir haben Innovationen in der Pipeline und stärken unser Marketing. Vielerorts werden wir noch wenig wahrgenommen, obgleich wir Lösungen hätten. In zehn Jahren wird man uns viel besser kennen als heute.

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