Auf Probe im flexiblen Zuhause
Die Architektin und Professorin Elli Mosayebi hat eine Kleinwohnung entworfen, bei der selbst feste Bauteile verschiebbar sind. Ein Jahr lang lässt sie die wandelbare Wohnung in Zürich von Testbewohnern beurteilen.
Sie haben in Zürich eine sogenannte «performative Wohnung» aufgestellt. Was ist die Idee dahinter?
In der Stadt Zürich sind die Hälfte der Haushalte Einpersonen-Haushalte. Ein ähnliches Bild zeichnet sich in anderen Städten ab. Heute gibt es einen Pluralismus von Lebensformen. Der Wohnungsbau orientiert sich aber noch immer an der Idee der kleinbürgerlichen Familienwohnung. Die meisten Singlewohnungen sind lediglich geschrumpfte Wohnungen des altbekannten Zuschnittes. Dabei gälte es, möglichst flexible Kleinwohnungen zu bauen, die sich wie ein Kleid den individuellen und wechselnden Bedürfnissen der Bewohner oder Bewohnerinnen anpassen lassen – je nach Laune und Lebensphase. «Performativ» heisst in diesem Sinne anpassbar und wandelbar.
Wie erzeugen Sie diese Wandelbarkeit?
Wenn es um die Veränderung von Wohnräumen geht, gibt es einen gewissen Trägheitsfaktor. In unserem Wohnungsprototyp haben wir die performativen Elemente so gestaltet, dass sie leicht zu bewegen sind und Lust zur Veränderung machen. Sie sollen zur Umwandlung der Wohnung verführen und Bewegung, Tanz und Choreografie im Raum ermöglichen.
Worum handelt es sich bei den wandelbaren Elementen konkret?
In der performativen Wohnung sind die Räume nicht vordefiniert. Die Wohnung ist eher eine Art Halle, die sich umgestalten lässt. Dazu haben wir eine Drehwand, einen Drehschrank und schwenkbare Lampen eingebaut. Ein Podest am Fenster bietet Schubladen und Stauraum und lädt zu verschiedenen Nutzungen ein. Man braucht wenige eigene Möbel. Um die Testbewohner zu motivieren, die beweglichen Gestaltungselemente zu verschieben, sind diese ohne Krafteinsatz mobil und mit Griffen und Laschen bestückt, die man gerne anfasst.
Welche flexiblen Nutzungen der Räume lassen sich damit erreichen?
Mit den beweglichen Elementen lässt sich zum Beispiel ein Schlaf- oder Rückzugsbereich separieren, wenn Gäste da sind. Die Küche kann man grosszügig mit dem Wohnbereich verbinden oder abtrennen. Zum Beispiel, wenn Sie einem zu unaufgeräumt erscheint. Kleine Wohnungen bieten oft keinen Rückzugsraum. Bei uns schon, dank drehbarer Wände.
Wie testen Sie, ob sich die Idee der performativen Wohnung in der Praxis bewährt?
Seit dem 1. August 2019 wohnen Testpersonen für je eine Woche in unserem «Mock-up» zur Probe. Mit Drehwinkelsensoren registrieren wir, wie oft und in welcher Weise sie die Elemente bewegen, um die Raumanordnung zu verändern. Zudem schreiben die Testpersonen, was ihnen an den performativen Elementen gefällt.
Wird die performative Wohnung Einzug halten in die Welt des realen Wohnungsbaus?
Ja. Wir planen mit einem Investor ein Haus an zentraler Lage in Zürich – mit wandelbaren Kleinwohnungen auf je 20 bis 50 Quadratmetern. Die Erfahrungen, die unsere Testbewohner mit der performativen Wohnung machen und die Performance der technischen Elemente werden in den Bau und die Ausgestaltung dieser Wohnungen einfliessen.
Verschiebbare Grundrisse
Die Architekturprofessorin Elli Mosayebi experimentiert mit einem neuen Wohnungstyp, der sich je nach Bedürfnis verändern lässt: Der wandelbaren respektive «performativen» Wohnung. Die Wohnung mit verschiebbaren Wänden und Schränken von Elli Mosayebi steht auf dem Dach eines ETH Gebäudes in Zürich. Im schwarz verkleideten Holzbau ziehen Woche für Woche neue Personen ein und halten ihre Erfahrungen fest.
Architektin mit Weitblick
Elli Mosayebi ist Mitgründerin des Architekturbüros EMI in Zürich. Seit 2018 unterrichtet sie als Professorin für Architektur und Entwurf an der ETH Zürich. Zuvor lehrte sie an der Technischen Universität Darmstadt.