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Wohnqualität dank Flexibilität

Die Tatsache, dass viele Menschen in den letzten Monaten mehr Zeit Zuhause verbracht haben, hat Auswirkungen auf die Ansprüche an die eigenen vier Wände. Gleichzeitig werden diese immer kleiner, da verdichteter gebaut wird. Wir haben mit Dominique Salathé, Professor für Architektur an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Inhaber von Salathé Architekten Basel darüber gesprochen, wie sich diese beiden Tendenzen vereinbaren lassen und welche Zukunft offene Wohnbereiche haben.

Die vergangenen Monate haben die Beziehung zum eigenen Wohnraum intensiviert und einige Trends beschleunigt. Dominique Salathé macht zwei grosse Auswirkungen der Pandemie-Erfahrung aus: «Erstens wurde die Qualität der Aussenräume wichtiger und überhaupt bewusst. Zweitens gibt es neue Ansprüche an Innenräume.» Da Arbeit und Freizeit immer mehr ineinandergriffen, müssten Räume immer multifunktionaler gedacht werden. Die Wohnfläche müsse sich an verschiedene Lebenssituationen anpassen lassen und das möglichst einfach.

Gleichzeitig hält der Trend zur Urbanisierung an. Die UNO schätzt, dass im Jahr 2050 70% der Menschheit urban leben wird. Gemäss Salathé ist die Verdichtung aber nicht nur in der Stadt ein Thema. Der verfügbare Boden sei auch in weniger urbanen Räumen beschränkt und der Druck zur Verdichtung wirke überall. Im Moment sei zudem zu beobachten, dass es für einen Teil der Bevölkerung wieder attraktiv geworden sei, auf dem Land zu wohnen, weil das tägliche Pendeln weggefallen sei.

Damit aus der Verdichtung kein Dichtestress wird, gilt es Flächen im Kleinen wie im Grossen klug zu planen. Mit Blick auf die enger werdenden Wohnungen meint Salathé: «Je dichter, desto anspruchsvoller sind die Räume. Verstellbare und verschiebbare Elemente, die neue Raumsituationen herstellen, sind nötig.» Dabei dürfe die räumliche Qualität nicht ausser Acht gelassen werden. Belichtung und Akustik müssten stimmen, damit sich die Bewohnerinnen und Bewohner wohlfühlten.

Begegnungsorte schaffen

Als entscheidendes Element für Wohnqualität in der Verdichtung macht der Architekt kollektiv nutzbare Räume aus, die den Wohnraum erweitern. Das vormals anonyme Treppenhaus beispielswiese wird zum Begegnungsort oder die Dachterrasse zum Gemeinschaftsgarten. «Die Bereitschaft zum Teilen ist in den letzten Jahren grösser geworden», so Salathés Beobachtung. Sein Architekturbüro habe beispielsweise bei einem geplanten Hochhaus-Projekt in Aesch (Schweiz) Gemeinschaftsflächen wie etwa einen Fitnessraum und eine Küche integriert. Für die Zukunft des Sharings macht er in der nächsten Architektur-Generation viel Potenzial aus. Viele seiner Studierenden seien mittlerweile mit geteilten Räumen aufgewachsen und würden diese automatisch mitdenken.

Einen weiteren Aspekt, den Salathé für die Zukunft des Bauens für zentral hält, ist die Nutzungsneutralität. Aktuell beobachte er einen Trend Büros zu Wohnraum umzunutzen. Dies könne sich aber wieder ändern. «Darum müssen wir Flexibilität nicht nur im Kleinen, sondern auch im Grossen denken. Gewisse Grundrisse funktionieren über Generationen, weil sie anpassbar sind. Aber wenn die Wohnungen überbestimmt, sprich zu klar definiert, geplant werden, geht es auf die Dauer nicht auf», sagt er. Die Folge davon sei, dass Gebäude abgerissen werden müssten.

Offenheit hat Zukunft

Flexibilität auf allen Ebenen ist also gefragt. Doch haben grosszügige und offene Wohnbereiche bei all der Verdichtung überhaupt eine Zukunft? Salathé ist überzeugt, dass die Offenheit ein wichtiges Element der Architektur bleiben wird. Es brauche die Möglichkeit in einem grossen Raum zusammenzukommen. «Die Küche wird das Wohnzimmer als Lebensmittelpunkt der Hausgemeinschaft in Zukunft wohl ablösen», sagt er. Bei offenen Wohnflächen sei es in Zukunft entscheidend, den Wohnraum an verschiedene Situationen anpassbar zu machen. Dies habe das Erlebnis der Pandemie eindrücklich gezeigt. «Niemand hat Lust darauf, den ganzen Tag im selben Raum zu arbeiten, zu kochen und zu essen.»

Salathé betont, bei allen Überlegungen zur Zukunft des Wohnens sei es wichtig, Aspekte der Nachhaltigkeit und der Bewahrung von Ressourcen mitzudenken. Es gelte, vermehrt mit dem Bestand zu arbeiten und nicht nur beim Neubau zu optimieren. Dominique Salathé hat beispielsweise in Muttenz (Schweiz) eine ehemalige Klinik in ein Studierendenwohnheim umgebaut. «Die Strategie des Ersatzneubaus ist kritisch zu hinterfragen», sagt er. Nur mit dem Konzept Weiterdenken statt Abreissen werde die Architektur der Nachhaltigkeit gerecht.

Wenig Raum, viele Möglichkeiten

Auch aus einer kleinen Wohnung lässt sich mit flexiblen Lösungen viel herausholen. Das zeigt unser fiktives Beispiel von Kim und David. Sie stehen stellvertretend für viele junge Paare, die sich den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllt haben. 58-Quadratmeter misst ihr neues Glück.

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